Kroatisch während des Ustaša-Regimes (1941–1945): Die Sprache der fiktionalen Prosa
Von telefon zu brzoglas

Das Projekt zur Geschichte des Kroatischen im Faschismus untersucht die Forschungsfrage, inwieweit sich sprachliche Spezifika des Kroa­ti­schen aus der Zeit des faschistischen Ustaša-Regimes (1941–1945) in fiktionalen Prosa­tex­ten der Zeit fest­stellen lassen, also Merkmale, die dieses Kroatisch von dem vorangehender Epochen unter­schei­den. Das Projekt analysiert ferner, was für Spezifika sich nachwei­sen lassen und inwiefern sie als Er­gebnis der faschistischen Sprachpolitik erklärbar sind. Im Zentrum der Untersuchung steht dabei der be­deu­ten­de Roman „Giga Barićeva“ (GB) von Milan Begović (1876–1948) und namentlich die Ge­schichte der sprach­lichen Zensur des Textes während des kroatischen Faschismus. Die Herrschaft des Ustaša-Re­gimes in der sog. „Nezavisna Država Hrvatska“ (NDH), im ‘Unabhängigen Staat Kroatien’, war von mas­siver staatlicher sprachlicher Kontrolle geprägt (vgl. zu berücksichtigende Parallelen u. a. in Deutsch­land und Italien in der Zeit).

In diesem Projekt wird ein digitales Korpus aus bis zum Ende der NDH (1945) erschienenen Texten erstellt. Das Korpus umfasst bisher die fünf bis dahin erschienenen Editionen des Romans GB (Erstausgabe von GB: 1930–1931), d. h. drei Ausgaben aus der Zeit vor der NDH und zwei, die während der NDH erschienen.

Um einen sprachlichen Vergleich mit anderen während der NDH publizierten kroatischen Texten zu ermöglichen, werden in die elektronische Textsammlung in einem weiteren Schritt aufgenommen: a) vier kroatische Romane anderer Autoren, je in ihren Ausgaben aus der Zeit vor und nach Errichtung der NDH, b) vier weitere von Begović stammende mit GB textologisch eng ver­wandte Werke, in den vorhandenen Ausgaben aus der Zeit vor und nach Errichtung der NDH. Ein solches digitales Parallelkorpus erlaubt es vor allem, die Ausgaben ein- und desselben Texts aus verschiedenen Epochen einander gegenüber­zu­stel­len und Unterschiede zwischen Editionen aus der Zeit vor und nach Beginn der NDH offenzulegen (‚Vor­her-Nachher-Vergleich‘), d. h. Unterschiede, die oft auf Zensur im Sinn der faschistischen Sprach­po­litik oder zumindest eine Adaption an die Politik zurückgehen dürften.

Der Prozess der digitalen Auswertung von “Giga Barićeva” kann zusammenfassend in den folgenden drei Schritten aufgezeichnet werden: Preprocessing (Digitalisierung), Kollation und Postprocessing.

Das Projekt untersucht ein weitgehend unerforschtes Gebiet und trägt dazu bei, einen Forschungs­zweig zu etablieren. Es beschreibt erstmalig adäquat die komplexe Textgeschichte von GB bis 1945, d. h. namentlich die in GB besonders umfangreichen Textveränderungen während der NDH, die neben Lexik und Orthographie auch lautliche Ebene, Flexion und Syntax betreffen. Der Vergleich mit den ver­schie­denen Editionen anderer Werke sowie die Heranziehung von Texten zur Sprachpflege aus der NDH-Zeit helfen dabei genauer zu bestimmen, welche NDH-spezifischen sprachlichen Merkmale die beiden jüngsten untersuchten Editionen von GB enthalten und wie sie sprachideologisch bzw. ge­schicht­lich zu erklären sind. Auf Basis des zu schaffenden elektro­ni­schen Korpus lassen sich Text­ver­glei­che mit Methoden der Digital Humanities durchführen. Die Verbindung von Analyse­me­thoden aus Phi­­lo­­logie (darunter Editionswissenschaft), Geschichtswissenschaft, Korpus­linguistik und Digital Hu­ma­­nities (u. a. digita­le Text­kol­la­tion mit CollateX, Textanalyse mit Py­thon und R) hilft so, genauer zu be­schreiben, wie man Sprachlenkung im Faschismus umsetzte. Die NDH und die Sprache dieser Epoche stellen in der Forschung in Kroatien selbst ein Tabu dar, und die Zahl an Stu­dien zur Sprache der NDH-Zeit ist allgemein sehr begrenzt. Darum ist es ein zusätzliches Projektziel, das Schweigen innerhalb der Wissenschaft noch vehementer zu brechen und zudem die Öffentlichkeit, darunter die kroatische, für das brisante Thema zu sensibilisieren (ausserwissen­schaft­li­che Bedeut­sam­keit).