Inhalt und Ziel des Forschungsprojekts
Traditional-konservative Imaginationen eines ‚Russentums‘, die typischerweise auf bäuerliche Gemeinschaftsformen rekurrierten, standen in Konflikt mit dem offiziell deklarierten ‚übernationalen‘ sowjetischen Projekt. Zuflucht fanden diese Vorstellungen in der Literatur, wo sie sich unterschwellig artikulierten und dadurch auch unter wechselhaften und restriktiven Bedingungen fortgeschrieben werden konnten. Das Forschungsprojekt untersucht, wie Grundmuster bäuerlicher Vorstellungs- und Lebenswelten und versteckte Referenzen auf etablierte russophile Denktraditionen Eingang in die offiziell publizierte Literatur der 1910er bis 1930er Jahre fanden. Im Fokus stehen dabei die Autoren Aleksandr Cajanov (1888-ca. 1937), Sergej Esenin (1895-1925), Sergej Gorodeckij (1884-1967), Nikolaj Kljuev (1884-1937), Leonid Leonov (1899-1994), Boris Pil’njak (1894-1938), Andrej Platonov (1899-1951), Aleksej Remizov (1877-1957) und Aleksandr Tvardovskij (1910-1971).
Wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kontext
Das Forschungsvorhaben will zu einem besseren Verständnis konservativ-nationalistischer Denktraditionen und Vorstellungswelten im sowjetischen und postsowjetischen Russland beitragen, indem es diese in ihrem historischen Kontext und in ihrer kulturellen Tiefendimension erforscht. Gleichzeitig soll das Projekt dadurch einen neuen Blickwinkel auf das Verhältnis zwischen Imaginationen traditionaler (politischer/nationaler) Gemeinschaft und der Literatur eröffnen.