Institut für Slavische Sprachen und Literaturen

"Barbarisch": Geschichte eines europäischen Grundbegriffs und seiner literarischen Reflexion vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart

„Barbarisch“ ist ein Begriff, der abendländisch-westliches Selbstverständnis mitbegründet hat und zur Durchsetzung dieses Selbstverständnisses verwendet worden ist und wird. Eine von der Antike bis zur Gegenwart reichende Geschichte des Begriffs gibt es jedoch noch nicht. Vor allem die neuzeitliche Begriffsgeschichte seit dem 18. Jh. ist unzureichend erforscht. Das Projekt konzentriert sich auf diesen Zeitraum. Dabei berücksichtigt es auch die literarisch-künstlerische Reflexion des Begriffs.

Bis heute hat der Begriff des Barbarischen die im klassischen Griechenland des 5. Jh.s v. Chr. aufkommenden ethnozentrischen Bedeutungen „wild“, „grausam“ und „unfrei“ bewahrt wie auch die zugleich antithetische,  ausschliessende und asymmetrische Argumentationsstruktur, die mit seiner Verwendung gegeben ist. In gesellschaftlichen Krisenzeiten kann sich die Funktion des Begriffs durchaus umkehren: Die traditionell ausschliessende Instanz wird dann zur ausgeschlossenen, und „barbarisch“ bezeichnet das Positive, von dem man sich die Überwindung oder Erneuerung der dekadenten Zivilisation verspricht. Doch im Zuge dieser Um- und Aufwertung des Barbarischen bleibt der Begriff Teil der antithetischen und asymmetrischen Relation, die sich als geschichtlich übertragbar erweist. Man kann also von einer Kontinuität der Bedeutungsstruktur des Begriffs bei gleichzeitigem Wandel seines Geltungsbereichs sprechen. Drei Traditionslinien seiner Verwendung sollen im Rahmen des Projektes unterschieden und nachgezeichnet werden: erstens die neuzeitliche ethnographische und historiographische Verwendung des Begriffs und deren theoretische Auswertung; zweitens die rhetorische Verwendung des Begriffs bis hin zur gegenwärtigen politischen Rhetorik des ‚clash of civilizations‘; und drittens die literarisch-künstlerische Reflexion des Begriffs. Vor allem durch die Einbeziehung dieser dritten Traditionslinie unterscheidet sich das Projekt methodologisch von der herkömmlichen Begriffs-, Problem- und Ideengeschichte.

Verantwortliche:r und weitere Gesuchsteller:innen

  • Winkler Markus (Département d'Allemand Université de Genève)

Mitarbeitende

  • Rohner Melenie (Département d'Allemand Université de Genève)
  • Tétaz Elena (Departement für Englisch und Slavistik Universität Freiburg)